„Ich möchte nie im Leben Mitglied in einem Verein werden, der Leute wie mich als Mitglieder aufnimmt!“*

Der Regisseur Milan Peschel über Woody Allen und seine Arbeit in Wien

Was interessiert dich an Woody Allens Filmklassiker „Hannah und ihre Schwestern“. Warum wolltest Du genau diesen Stoff gerne in Wien machen?

Woody Allen hat mich schon als Kind und Jugendlicher begeistert. Und so mit Mitte vierzig ist man den Figuren aus Woody Allens Filmen eigentlich auch immer sehr nah. Das sind ja immer Großstädter mit ihren ganzen sexuellen Neurosen, mit ihren Phobien. Woody Allen schafft es auf unglaubliche Art und Weise mit den Mitteln der Komik auch ernste Themen zu verhandeln. Und in „Hannah und ihre Schwestern“ – jetzt mal abgesehen davon, dass es auch drei Schwestern sind, ähnlich wie bei Tschechow – schafft er es gut, so über drei Paare Mitte der achtziger Jahre dieses Bild des Großstädters zu zeichnen. Und das hat mir wahnsinnig gut daran gefallen.
Ich war neulich im neuen René Pollesch-Abend hier im Akademietheater und hab festgestellt, dass eigentlich die Woody Allen-Texte einen ähnlichen Flow haben, wenn man die so spricht. Das sind eigentlich lauter Monologe, die mal alleine, mal zusammen gehalten werden von den Leuten, von den Spielern, von den Figuren. Und Wien ist ja nicht umsonst die Stadt von Sigmund Freud und hier können sich Neurosen auch prima ausbreiten. Quasi in jedem Woody Allen-Film taucht ja eine Therapiesitzung auf oder es redet jemand von seinem Psychiater, von seinem Analytiker und ja, das ist womöglich eine große Psychoanalyse, das ganze Ding und deswegen gehört das hierher.

Von Isaac Davis über Alvy Singer und Annie Hall hin zu Boris Yellnikoff – was sind das für Figuren, die Woody Allen in seinen Filmen zeichnet?

Also bei „Der Stadtneurotiker“ zum Beispiel steckt es ja schon im Titel mit drin – Neurotiker. Das sind so Leute aus der Mitte der Gesellschaft, meistens in akademischen Berufen – letztendlich so wie wir auch zum Teil. Leute, die auch Theater machen, die Kunst machen, was schreiben … Das hat auch viel mit meinem Leben, mit meinen Gedanken und Befindlichkeiten zu tun und ich glaube auch mit dem Leben der Leute, die ins Theater kommen. Woody Allens Film „Hannah und ihre Schwestern“ ist 1986 in die Kinos gekommen.

Wie aktuell sind die Themen, die die Figuren im Film verhandeln? Was hat sich verändert? Oder könnte man den Film jetzt nochmal genauso drehen?

Nein, das glaube ich nicht. Allein schon die Kommunikationsmittel haben sich geändert. Aber die Ängste und Zustände der Menschen sind ähnliche. Und Zeugungsunfähigkeit ist nach wie vor ein Problem, wenn sie da ist, also die Unfähigkeit. Man kann sich heute möglicherweise anders helfen lassen. Aber an den Zuständen der Menschen hat sich wenig geändert, glaube ich.

Was muss fürs Theater neu übersetzt werden? Wie arbeitest Du an der Übertragung in dieses neue Medium?

Das Theater hat gar nicht die Mittel die der Film hat, die Mittel der Großaufnahme, ein Detail zeigen, Schnitte machen – das vor allem. Und ich glaube im Theater muss man Sachen eher vergrößern und vergröbern und man kann nicht so fein, ganz fein-psychologisch oder filmisch spielen. Wenn dann vielleicht als Kontrastmittel, aber hier muss man eben mit den Mitteln des Theaters das versuchen zu erzählen. Deswegen setzen wir Szenen auch neu zusammen oder zitieren auch andere Filme von Woody Allen.

Du arbeitest als Schauspieler für Theater und Film und eben auch als Regisseur – wie kam es zum Wechsel auf die andere Seite der Bühne?

Ich bin gefragt worden. Ich hab das nie auf meiner Liste gehabt, im Sinne von: Das muss ich jetzt noch unbedingt machen. Ich bin gefragt worden und habe dann immer mehr Gefallen daran gefunden. Ich habe erst mit Jugendlichen gearbeitet an der Volksbühne und hab dann festgestellt, dass ich das mag, dass ich mich gern so ausdrücken mag, mit Hilfe der Inszenierung, mit Text, mit den Schauspielern.

* Alvy Singer in „Der Stadtneurotiker“ von Woody Allen