BLUTIGER SOMMER. DIE REVOLUTION DER FRAUEN.
von Alireza Daryanavard
– Eine Produktion von Theaterkollektiv Hybrid in Kooperation mit WERK X-Petersplatz
– Uraufführung | Wiederaufnahme
Text: Myassa Kraitt, Mona Matbou Riahi, Alireza Daryanavard
Musik: Mona Matbou Riahi
Bühnenbild & Kostüm: Geraldine Massing
Produktionsleitung: Mascha Mölkner
Künstlerische Mitarbeit: Sophie Berghäuser
Der österreichisch-iranische Regisseur, Autor und Schauspieler Alireza Daryanavard sorgt mit zwei NESTROY-Nominierungen im Gepäck und einer Neufassung der Wiederaufnahme von „Blutiger Sommer“ für ein echtes Theaterhighlight im Novemberprogramm!
Seit der Spielzeit 2018/19 verbinden ihn und das WERK X-Petersplatz in regelmäßigen Kooperationsprojekten das Interesse an politischer Kunst, Artivismus und gesellschaftskritischem Diskurs, welche Akteur*innen, Publikum und Medien als Beteiligte dieser Prozesse begreifen und herausfordern. Für die Uraufführung von „Blutiger Sommer” wurde Alireza Daryanavard dafür 2020 für den NESTROY-Theaterpreis in der Kategorie „Bester Nachwuchs männlich“ nominiert und in der Kritiker*innenumfrage von Theater heute bei den Höhepunkten der Saison in der Sparte „Beste(r) Nachwuchskünstler(in)“ geführt. Mit seiner jüngsten in Kooperation mit dem WERK X-Petersplatz entstandenen Arbeit „ASYL TRIBUNAL – Klage gegen die Republik“ ist er nun erneut für den NESTROY 2022 für den „Spezialpreis“ nominiert!
„‚Blutiger Sommer‘, seine zweite Wiener Produktion, hatte Ende Februar 2020, kurz vor dem Lockdown, im WERK X-Petersplatz Premiere. Das dokumentarische Stück, in dem Daryanavard für Text und Regie verantwortlich zeichnet, thematisiert die Massenhinrichtungen in den 1980er Jahren, als im Iran rund 3700 politische Gefangene getötet wurden. Auf Basis von Interviews mit Überlebenden ist Alireza Daryanavard ein inhaltlich erschütternder, formal glasklar gestalteter Abend gelungen.“ – aus der Jury-Begründung zur Nominierung zum NESTROY 2020.
Aus aktuellem Anlass ist die Wiederaufnahme des dokumentarischen Theaterstücks der Frauenrevolution im Iran gewidmet. Die Performance basiert ähnlich der ursprünglichen Fassung auf Berichten von Aktivistinnen und Medien sowie Gesprächen mit Demonstrierenden, die in die aktuellen Proteste involviert sind. Grundlagen der Recherche sind außerdem Chatprotokolle, Videoauszüge und Augenzeug*innenberichte von Verhaftungen.
Ausgelöst durch den staatlichen Feminizid an der Kurdin Mahsa Jina Amini hält landesweit seit 16. September 2022 ein öffentlicher Aufstand der Frauen an, der einzigartig in der iranischen Protestgeschichte ist, denn dieses Mal ist die islamische Republik mit ihren Hauptfeinden konfrontiert: Frauen. So sagte Ayatollah Khomeini, langjähriges Staatsoberhaupt über die von ihm angeführte iranische Revolution: „Wenn die islamische Revolution kein anderes Ergebnis haben sollte als die Verschleierung der Frau, dann ist das per se genug für die Revolution.“. Was in der Weltsprache der Misogynie und der sexistischen Repression nichts anderes heißt, als dass Männer über die Frauen die Gesellschaft kontrollieren (sollen).
Seit 43 Jahren gilt die Hälfte der Gesellschaft dieser „Republik“ demnach offiziell als zweitklassig, weil sie weiblich ist und darf aus dem gleichen Grund keinen Anspruch auf Herrschaft oder Statthalterschaft haben. Die Hälfte der Gesellschaft wurde jahrzehntelang zum Schweigen gebracht, wodurch der Widerstand gegen die Regierung sehr männlich geprägt war. Doch zum ersten Mal seit 1979 sind öffentliche Proteste gegen staatliche Gewalt gegen Frauen und gegen die unzureichenden Frauenrechte im Iran an die Forderungen von Demokratie und Freiheit von allen gekoppelt, da die Gender-Apartheid über allen anderen Fragen ethnischer oder sozialer Herkunft steht. Die Tatsache, dass alle Frauen davon betroffen sind, wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen, birgt revolutionäre Sprengkraft, von der sich das Regime nicht mehr erholen wird können. So weisen die Nachrichten über die brutale Niederschlagung der Proteste durch das Regime mit über hundert getöteten Menschen, tausenden Verletzten und Masseninhaftierungen, bei denen Demonstrierende, darunter auch Frauen, verschleppt werden und spurlos verschwinden, zwar beängstigende historische Parallelen auf, wie sie auch „Blutiger Sommer“ erzählt. Dennoch skandieren die Protestierenden im Iran längst nicht mehr alleine „Frau, Leben, Freiheit!“, denn die Freiheit der Frau ist die Freiheit der Gesellschaft und diese Revolution ist weiblich.
„Neben der Klangkulisse beeindrucken vor allem die vielschichtigen, mehrsprachigen und tief-emotionalen Monologe von Myassa Kraitt und Simonida Selimović. Das Zusammenspiel aus Wort, Bild, Ton und Körperlichkeit funktioniert, und so wird das Stück für das Publikum zu einer intensiven multisensorischen Erfahrung.
Die Neuauflage von „Blutiger Sommer“ ist herausfordernd und aufwühlend. Das Stück vereinigt Kunst, Aufklärung und Aktivismus in einem stimmigen Gesamtkonzept.“
Magdalena Schwarz, etc. magazin